Die verbotene App

Gerade an die Börse gegangen und nun das: Der Fahrdienstvermittler Didi darf keine Neukunden mehr werben. Die chinesische Regierung ist zum größten Rivalen der heimischen Tech-Konzerne geworden.

Christoph Giesen

06.07.21 SZ, Seite 17

 

Es herrschte ein heftiger Preiskampf zwischen dem amerikanischen Fahrdienstleister Uber und seinem chinesischen Pendent Didi Chuxing, bei dem es um die Vormachtstellung in China ging. Nach anderthalb Jahren gab Uber entnervt auf; mehr als eine Milliarden Dollar hatte das Unternehmen in China verbrannt.

Didi, der Sieger, ging in der vergangenen Woche in New York an die Börse. 4,4 Milliarden Dollar wurden erlöst, zeitweise erreichte Didi eine Marktkapitalisierung von ca. 80 Milliarden Dollar. Eine Erfolgsgeschichte - bis am letzten Wochenende die chinesischen Ämter einschritten.

Die Didi-App darf nicht mehr heruntergeladen werden wegen 'schwerwiegender Verstöße' im Umgang mit personenbezogenen Daten. Die 377 Millionen Nutzer in China können den Dienst zwar weiter normal verwenden; jedoch ist mit Auswirkungen auf das Wachstum zu rechnen.

Jahrelang hatten die chinesischen Behörden die heimischen Internetfirmen nahezu unreguliert gelassen. Während Twitter und Facebook gesperrt sind, konnten chinesische Firmen wachsen. Baidu statt Google, Wechat anstelle von Whatsapp, Allibaba statt Amazon und nun Didi anstelle von Uber. Sie erlangten eine Monopolstellung und diktierten die Regeln. Selbst im Bankenwesen mischte Alibabas Finanztochter Ant Group mit. Der Führung in Peking wurde es unheimlich. Seitdem vergeht kaum ein Monat ohne Führungswechsel und staatliche Eingriffe.

Ant-Gründer Jack Ma ist seit Anfang des Jahres aus der Öffentlichkeit verschwunden. Im März verließ Colin Huang, der Gründer der E-Commerce-Gruppe Pinduoduo sein Unternehmen. Und im Mai trat überraschend Bytedance-Chef Zhang Yiming ab.

Der Staat greift durch.

 

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tech-konzerne-warum-china-die-fahrdienst-app-didi-sperrt-1.5342899?reduced=true (gebührenpflichtig)

Die graue Karawane

Wissenschaftler rätseln, was die Tiere zu ihrer Wanderschaft bewegt. Streng überwacht wird der Treck von der chinesischen Regierung.

Lea Sahay

15.06.21 SZ, Seite 15

 

15 Elefanten haben ihr Naturschutzreservat an der Grenze zu Burma und Laos verlassen und sind in den vergangenen Wochen über 500 Kilometer durch Yunann gelaufen und sind im Bereich der 8-Millionen-Stadt Kunming angekommen. Mit Drohnen, Polizeiautos und tonnenweise Lebensmitteln versucht die Regierung, die Elefanten wieder  zur Umkehr zu bewegen - bislang erfolglos.

Durch strenge Schutzmaßnahmen ist es gelungen, die Zahl der Wildelefanten von unter 200 in den 80er Jahren auf über 300 zu erhöhen. Ihre Lebenssräume sind in Süd-China jedoch immer weiter geschrumpft - durch Schnellstraßen parzelliert, durch wachsende Städte und Abholzung des Regenwaldes verkleinert.

Möglich, dass die Tiere in ihrem Reservat nicht mehr genug Nahrung gefunden haben; oder sie haben gelernt, dass die Nahrungssuche auf den benachbarten Feldern deutlich leichter fällt.

In China sind die Elefanten inzwischen eine Internet-Sensation. Millionen verfolgen die Wandschaft im Livestream. Tierschützer hoffen, dass die Berichterstattung dazu beiträgt, auf die Lage bedrohter Tierarten aufmerksam zu machen.

 

https://www.sueddeutsche.de/wissen/elefanten-china-1.5321892

 

Jetzt mal mit Scharm

Staatschef Xi Jinping möchte der Welt plötzlich ein freundlicheres Bild seines Landes vermitteln. Bei der Staatspropaganda ist das offenbar noch nicht angekommen, wie sich vor dem G-7-Gipfel zeigt.

Lea Sahay

11.06.21 SZ, Seite 2

 

70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China

 

"Ein glaubwürdiges, liebenswürdiges und respektiertes Bild von China": Staats- und Parteichef Xi Jinping gibt in Peking die Linie vor.

(Foto: Yan Yan/XinHua/picture alliance/dpa)

 

Über die Pläne des G7-Gipfels, künftig geschlossener gegenüber dem autokratischen China aufzutreten,  heißt es in der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua abfällig "Vom globalen Führer zur ideologischen Sekte". Der Kommentar will so gar nicht zu dem passen, was Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping angeordnet haben soll, nämlich sich wieder stärker auf den richtigen Ton gegenüber seinen internationalen Partnern zu fokussieren.

Die Partei müsse "offen und selbstbewußt, sowie bescheiden und genügsam sein; strebend, ein glaubwürdiges, liebenswürdiges und respektiertes Bild von China zu erschaffen" - der Appell an die eigenen Leute so kurz vor dem G7-Gipfel klang wie eine Kurskorrektur. Womöglich ein Versöhnungsangebot in Richtung der G7-Staaten?

Bei ihrem G7-Treffen in England wird China der abwesende Hauptgast sein. Und auch wenn sich die Staatsmedien vorab bemühen, die Rolle der Gruppe kleinzureden - die Angst Pekings vor einer geschlossenen Front der mächtigen Industriestaaten dürfte groß sein.

 

https://www.sueddeutsche.de/politik/china-xi-jinping-g7-gipfel-1.5318524

 

 

China demonstriert seine Macht

Peking will ausländische Firmen dazu zwingen, sich möglichen Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen nicht anzuschließen. Wer zum Beispiel US-Sanktionen unterstützt, wird bestraft.

Christoph Giesen

14.06.21 SZ, Seite 17

 

Ein Messe-Besucher posiert in Shanghai mit Roboy, einem Roboter-Forschungsprojekt, das vom Münchner Technologieunternehmens Infineon unterstützt wurde.

(Foto: Imaginechina via AP Images)

Das neue Anti-Sanktionsgesetz Pekings wurde in den letzten Tagen veröffentlicht, obwohl niemand den Entwurf kannt und obwohl das Gesetz bereits längst in Kraft getreten war. Die meisten ausländischen Firmen in China können noch gar nicht fassen, was da gerade geschieht.

Die Gefahr für ausländische Firmen verbirgt sich vor allem in Artikel zwölf des neuen Gesetzes, wonach Einzelpersonen und Institutionen (also auch Unternehmen) mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie Sanktionen, die gegen die Volksrepublik oder chinesische Organisationen gerichtet sind, umsetzen. In der Konsequenz bedeutet das: Wenn eine ausländische Firma etwa amerikanische Sanktionen gegen einen chinesischen Konzern einhält, droht dem Unternehmen in China ein Gerichtsverfahren, und da China kein Rechtsstaat ist, dürfte klar sein, zu wessen Gunsten die Urteile ausfallen werden.

Als Beispiel Huawei: nach der Verfügung von Donald Trump dürften ab September 20 amerikanische Unternehmen nicht mehr an Huawei liefern, genauso wenig wie ausländische Unternehmen, die Chips mit Maschinen aus den Vereingten Staaten fertigen oder aber deren Produtkionsverfahren in den USA patentiert sind. TSCM, der taiwanesische Halbleiterproduzent, stellte daraufhin seine Lieferungen an China ein, da sonst ein Lieferstop in die USA die Folge hätte sein können. Jetzt könne Huawei TSCM wegen wirtschaftlicher Verluste verklagen. Verliert TSCM vor dem chinesischen Gericht, dann müsse es sich entscheiden, ob  es die US-Sanktionen oder das Anti-Sanktionsgesetz in China respektieren soll.

 

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/china-sanktionen-menschenrechte-1.5320972

 

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kommentar-weniger-china-1.5322062 (Kommentar)

 

 

 

Zusammen gegen China

Um Chinas Aufstieg mehr entgegensetzen zu können, wollen EU und USA sich bei künstlicher Intelligenz und Chip-Nachschub besser abstimmen. Doch sie müssen auch Konflikte untereinander lösen.

Björn Finke

11.06.21 SZ, Seite 15

 

Bei dem bevorstehenden G7-Treffen wolle die EU-Führung mit dem amerikanischen Präsidenten einen gemeinsamen Handels- und Technologierat einsetzen. In ihm möchten sich Brüssel und Washington über Standards für Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz austauschen, neue Hindernisse für internationale Geschäfte in diesen Branchen vermeiden und Zulieferketten verlässlicher machen. Als Beispiel für das Zulieferthema werden Halbleiter genannt.

China wird dabei nicht erwähnt, aber es ist klar, dass der Handels- und Technologierat auch eine Antwort auf den Aufstieg des asiatischen Rivalen darstellt. Brüssel und Washington möchten gemeinsam verhindern, dass China die weltweiten Standards für Zukunftstechnologien setzt.

Außerdem wollen die EU und die USA zusammenarbeiten, um eine "bedeutsame Reform" der WTO (Welthandelsorganisation) zu erreichen und das Schiedsgericht wiederzubeleben. Dieses Gericht, das in Handelsdisputen entscheidet, ist seit anderthalb Jahren nicht arbeitsfähig, weil Trump die Berufung neuer Richter blockiert hat. Kritiker monieren überdies, dass das Regelwerk der WTO veraltet und nutzlos gegenüber unfairen Praktiken und unfairem Verhalten von Staatskonzernen sei. China wird dabei nicht erwähnt, ist aber gemeint.

Es geht aber auch um Fragen des Datentransfers zwischen der EU und den USA. Der Europäische Gerichtshof hat den Deal gekippt, der Unternehmen solche Transfers erlaubte.

 

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/biden-eu-gipfel-china-handelsstreit-1.5318440