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Das Ein-Kind-Dilemma

Nach jahrzehntelanger Ein-Kind-Politik fordert die chinesische Regierung dazu auf, zwei Kinder zu bekommen. Doch Geburten zu verhindern ist leichter, als sie zu erzwingen.

Lea Sahay

11.05.21 SZ, Seite 8

 

 

Vergnügen im Alleingang: Ein Kind auf einer Rutsche in Peking.

(Foto: NOEL CELIS/AFP)

Wenn man sich über eines in China heutzutage einig ist, dann dies: Ein Kind zu kriegen ist eine finanzielle Katastrophe. Besonders die Ausbildungskosten sind im nationalen Wettstreit um die wenigen Studienplätze eine Belastung für Eltern. Dazu kommen die astronomischen Wohnungspreise in den Städten. Und zwei Kinder finanzieren zu müssen, gilt regelrecht als Wahnsinn. Und genau hier liegt das Problem für die chinesische Regierung. Denn die Geburtenrate sinkt. Offiziell liegt die Geburtenrate bei 1,8 Kindern, die chinesische Frauen im Schnitt gebären. Und chinesische Statistiker gehen von deutlich niedrigeren Werten aus, möglicherweise von einer Rate zwischen 1,2 bis 1,5.

Die Sorge Pekings ist groß, die Überalterung nicht stemmen zu können. Bekommen die Chinesen nicht bald deutlich mehr Kinder, wird in 30 Jahren jeder dritte Chinese über 60Jahre alt sein - heute ist es jeder fünfte. Die Zahl der Erwerbstätigen wird im Vergleich zu 2018 um rund ein Viertel sinken. Manche Experten gehen davon aus, dass in weniger als 20 Jahren China älter sein wird als das chronisch vergreiste Japan. Bis 2100 dürfte die Gesamtbevölkerung von 1,4 Milliarden auf ca. 900 Millionen geschrumpft sein.

Die 1979 eingeführte Ein-Kind-Politik hat ihr Ziel erreicht: die Geburtenrate sank von 4,6 Kindern/Frau 1975 auf 1,6 Kinder 2005. Durch die selektive Abtreibung von Mädchen gibt es heute deutlich mehr Männer in China. Millionen Kinder sind außerdem ohne Zugang zu Bildung aufgewachsen, weil ihre Eltern sie nicht offiziell anmelden konnten.

Die Regierung hat inzwischen die Familienpolitik geändert; gefordert wird nun  als Pflicht für das Vaterland die Zwei-Kind-Familie. Dafür werden in einigen Regionen die Sozialleistungen deutlich verbessert in Form von finanzieller Unterstützung, Verlängerung des Mutterschutzes oder durch die Anerkennung von medizinischen Schwangerschaftsuntersuchungen als Arbeitszeit. Andererseits geht die Regierung aggressiv gegen die wachsende Frauenbewegung in China vor. Und im aktuellen Fünfjahresplan ist bereits die unpopuläre Erhöhung des Rentenalters aufgeführt.

Unwahrscheinlich dürfte allerdings sein, dass China auf Einwanderung setzt, um sein Geburtenproblem in den Griff zu bekommen. China stützt seine Herrschaft zunehmend auf einen Han-orientierten Ethno-Nationalismus, in dem ausländische Einflüsse als feindlich dargestellt werden.

 

https://www.sueddeutsche.de/politik/china-ueberalterung-geburtenrate-1.5290380?reduced=true (gebührenpflichtig)

 

 Sternenkinderland

Die Geburtenrate sinkt: Eine Katastrophe fürs Land - und zuvorderst die Frauen. 

Lea Sahay

11.05.21 SZ, Seit 4 (Kommentar)

 

https://www.sueddeutsche.de/meinung/china-geburtenrate-ein-kind-politik-frauen-demographie-1.5290496

 

Dazu passend aus dem dpa-Newskanal

 

China verzeichnet "alarmierenden" Geburtenrückgang

 

https://www.sueddeutsche.de/leben/bevoelkerung-china-verzeichnet-alarmierenden-geburtenrueckgang-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210511-99-547825