Der Druck steigt

Nirgendwo lässt sich so viel Geld verdienen wie in China. Deswegen schauten viele Firmen nicht so genau hin, wenn es um Menschenrechtsverletzungen ging. Jetzt müssen sie - und geraten in Widersprüche.

Christoph Giesen, Max Hägler

09.06.21, SZ, Seite 17

 

Seit 2013 betreibt VW in Urumqi, der Hauptstadt  von Xinjiang, mit seinem chinesischen Geschäftspartner SAIC ein Werk. Der politische Deal damals: Wenn in Urumqui eine Fabrik eröffnet wird, darf Volkswagen ein halbes Dutzend andere höchstlukrative Werke im Osten des Landes eröffnen. Und so geschah es. Im Nordwesten Chinas ist in der Zwischenzeit ein Polizeistaat entstanden, wie ihn die Welt selten gesehen hat: Hunderttausende muslimische Uiguren, deren Heimat Xinjiang ist, haben die Behörden in Umerziehungslager gesteckt.

Jahrelang schaute die deutsche Industrie nicht so genau hin; nirgendwo sonst auf der Welt verdient man schließlich besser als in der Volksrepublik. Und VW-Chef Diess sagte noch vor 2 Jahren, dass ihm von Lagern in Xinjiang "nichts bekannt"  sei.

Doch die Zeiten ändern sich. Politik und Wirtschaft, das lässt sich nicht mehr auseinanderhalten. Deutlich wie nie zuvor warnte Deutschlands oberster Industrievertreter, BDI-Chef Siegfried Russwurm: "Als Exportland müssen wir ein Grenze ziehen, an der die Kompormissfähigkeit aufhört: Menschenrecht sind keine innere Angelegenheit! Was China mit den Uiguren macht, ist völlig inakzeptabel". Jedes Unternehmen müsse sich fragen, ob es wirklich ausschließen könne, dass es in seiner Wertschöpfungskette zu Zwangsarbeit kommt. Das betrifft VW, aber auch BASF.

Wegen Menschenrechtsverletzungen und Zwangsarbeit hatte die US-Regierung im Januar ein Importverbot für Baumwolle aus Xinjiang verhängt, wo 85% des chinesischen Anbaus stattfindet oder ein Fünftel der weltweiten Produktion. Nachdem die EU Sanktionen gegen vier chinesische Funktionäre und ein staatliches Konglomerat verhängt hatte, die an der Unterdrückung der Uiguren beteiligt waren, rief Peking zum Boykott von europäischen Textilunternehmen wie etwas H&M auf. Auch mehrere Mitglieder des europäischen Parlaments kamen auf die Sanktionsliste, was dazu führte, dass das EU-Parlament den Ratifizierungsprozess für das Investitionsabkommen auf Eis legte - aus Solidarität mit den sanktionierten Kollegen.

Einen Rückzug planen weder VW noch BASF. Gerade in Zeiten zunehmender Konflikte sei internationale Zusammenarbeit wichtig. Man nehme "die menschenrechtliche Sorgfaltpflicht als Unternehmen weltweit sehr ernst". Der Betrieb in Urumqi werde "im Einklang mit unseren Grundwerten und -prinzipien geführt, einschließlich der Achtung von Minderheiten, Arbeitnehmervertretung, Sozial- und Arbeitsstandards". Viel argumentativer Aufwand für das am besten gesicherte VW-Werk der Welt - mit einer Fertigung von nur 19000 Autos 2019.

 

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