Autos und Moral

Chinas Wachstum rettet zwar die Bilanzen der deutschen Industrie. Doch die Sorge vor übergroßer Abhängigkeit wächst. Und die Kritik an Menschenrechtsverstößen nimmt parteiübergreifend zu. 

Chrisoph Giesen, Hax Hägler

19.04.21 SZ, Seite 17

 

Pünktlich zur Shanghaier Automesse hat der VW-Konzern einen neuen Stadtgeländewagen vorgestellt, den "ID.6", eine Art Elektro-Passat, nur etwas pummeliger. Das Modell soll helfen, dass VW auf dem größten Automarkt der Welt Marktführer bleibt.

Gut 3000 Kilometer westlich von Shanghai betreibt VW mit seinem chinesischen Geschäftspartner SAIC ein Werk in Urumqi, der Hauptstadt von Xinjiang. Für dieses Werk gelte laut VW wie für alle Standorte in China derselbe Verhaltenskodex: Zwangsarbeit "kann es bei uns nicht geben". "Nur wer die chinesische Führung nicht offen kritisiert, darf Geld verdienen," meint die Europaparlamentarierin Cramon-Taubadel. "Der Konzern ist nicht in der Lage einzugestehen, dass das Engagement in Xinjiang ein Fehler war und man heute in der Zwickmühle sitzt".

Adidas, Nike und H&M wurden mit einer Boykott-Kampagne überzogen wegen ihres Verzichtes, Baumwolle aus Xinjiang zu verarbeiten, die mutmaßlich von Zwangsarbeitern gepflückt wird. - Die Auoindustrie ist davon bislang verschont geblieben. Doch die zunehmende wirtschaftliche Dominanz und das zunehmende Streben nach technischer Autarkie der Chinesen beunruhigen die deutsche Autoindustrie. So wie es in der Eisenbahnindustrie schon geschehen ist, in der Alstom und Siemens ins Hintertreffen geraten sind gegenüber der chinesischen Konkurrenz, könne es auch der Autoindustrie ergehen. "Die Automobilindustrie war lange Zeit der größte Stolz der deutschen Wirtschaft. Jetzt wird sie wegen ihrer China-Abhängigkeit zur größten politischen Schwachstelle."

 

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/autoindustrie-china-menschenrechte-volkswagen-wirtschaftspolitik-europa-1.5268553

 

 

Chinesischer Tesla rockt die Show

Von BMW, Daimler und VW ist bei der Automesse in Shanghai wenig zu hören. Stattdessen gibt sich ein chinesischer Hersteller selbstbewusst, der auch ein Büro in München hat.

Christoph Giesen, Max Hägler

20.04.21 SZ

 

Wegen der coronabedingten Abschottung Chinas fehlten auf der Automesse in Shanghai die meisten Vorstände deutscher Autofirmen. Die Präsentationen waren entsprechend leise.

Umso deutlicher sticht so heraus, wer in Shanghai ist und echte Antworten gibt an diesem Morgen: William Li, der Gründer des chinesischen Elektro-Start-ups Nio. Das Unternehmen ist kaum älter, als ein regulärer Entwicklungszyklus bei BMW oder Volkswagen dauert. An der Börse in New York ist Nio bereits wertvoller als Daimler. Und auf den Straßen in Peking oder Shanghai sieht man die Elektro-Geländewagen von Nio immer häufiger fahren, die übrigens auch in einer Dependance in München-Bogenhausen gestaltet wurden. Für viele Chinesen scheint Nio bereits so etwas wie die Antwort aus Fernost auf Tesla zu sein.

Die Firma Nio will in diesem Jahr noch mit ihren Autos nach Europa kommen. Man ist zuversichtlich, da ihre im Premiumbereich angesiedelten Autos überall konkurrenzfähig wären.

 

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/shanghai-auto-show-nio-1.5269592