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Der Lagerstaat

Geheimdokumente der chinesischen Führung belegen eine der größten Menschenrechtsverletzungen der Gegenwart: Etwa eine Million Uiguren werden interniert und systematischer Gehirnwäsche unterzogen.

 

25. und 26. 11.2019 SZ;

 

Geheimdokumente der KP Chinas aus den Jahren 2017 und 2018 widerlegen die bisherigen Behauptungen, dass es sich bei den Lagern in Xinjiang um ‚Berufsbildungszentren’ handelt, in denen sich die Menschen gleichsam wie in einem Internat freiwillig aufhalten und die sie jederzeit auch wieder verlassen können. Nach Expertenschätzungen dürften ca. eine Millionen Uiguren festgehalten werden; Chinas Führung habe innerhalb kürzester Zeit eines der größten Gulagsysteme der Geschichte errichtet.

Offiziell werden die veröffentlichenten Dokumente als „reine Fälschung“ bezeichnet. Die Chinesische Botschaft in Berlin verweist auf „Bemühungen von Xinjiang zur Terrorbekämpfung und Entradikalisierung sowie zur beruflichen Aus- und Weiterbildung“. (1)

 

Vor 70 Jahren bestand die Bevölkerung Xinjiangs zu ca. 70% aus muslimischen Uiguren. Die in den letzten Jahren zunehmende Assimilationspolitik Chinas hat durch Zuzug von Han-Chinesen  und Flucht von Uiguren ins Ausland dazu geführt, dass der uigurische Bevölkerungsanteil inzwischen unter 50% liegt. Und sie fühlen sich als Bevölkerung zweiter Klasse. (2)

 

Xinjiang ist größer als Spanien, Frankreich und Deutschland zusammen. Eine karge Gegend aus Wüsten und Gebirgen, in die sich nur wenige Ausländer verirren.  Möglicherweise deswegen erlangten vereinzelte Meldungen nur spärliche Aufmerksamkeit (5); und möglicherweise deswegen wurde auch zunächst nicht registriert, dass 2016 mit Chen Quanguo ein neuer Parteisekretär ernannt worden ist, dessen harte Hand davor in Tibet berüchtigt war. Und Chinas Parteichef Xi Jinping hatte ihm die Direktive „kein Erbarmen“ mit auf den Weg gegeben. Die Folge waren die Aufstockung des Polizeiapparates, die Zerstörung von Moscheen, die Einebnung von Friedhöfen, der Ausbau von Lagern, von denen es nach Einschätzung des Wissenschaftlers A. Zenz über 1000 geben dürfte (4). Eine EU-Delegation wunderte sich 2018, dass kaum junge und mittelalte Männer im öffentlichen Raum zu sehen waren (3)

 

Das Überwachungssystem in den Lagern wurde nach Human Rights Watch wurde von dem staatlichen China Electronics Technology Group Corporation (CETC) mitentwickelt, einer Firma, mit der auch Siemens zusammenarbeitet (1). Die Bundesregierung sieht keine Veranlassungen, nach den jetzt veröffentlichten Dokumenten Investitionen in Xinjiang zu hinterfragen (6). In der Region betreibt Volkswagen ein Werk, in dem Mittelkassewagen in einer eher kleinen Anzahl gebaut werden, die am wirtschaftlichen Sinn zweifeln lassen. Es besteht der Verdacht, dass Volkswagen sich damit das Wohlwollen Pekings für andere Investitionen sichern wollte und sich jetzt in der Zwickmühle zwischen Moral und Gewinn befindet (8). Das Volkswagenwerk sei "ein einziger Schandfleck" kritisiert A. Ross, Xinjiang-Experte und früherer Direktor des Zentrums für Chinastudien im südafrikanischen Stellenbosch (6, 7). - Auch BASF, DB Schenker und die KfW sind in Xinjiang aktiv (SZ, 11.11.19, Seite 2)

 

(s. auch die Zusammenfassung des Vortrags über Xinjiang von H. Maass in der GDCF-Siegen am 25.09.19 auf www.gdcfsiegen.de > 'News, Highlights...')

 

1) https://www.sueddeutsche.de/politik/china-cables-der-lagerstaat-1.4693178

2) https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/politik/wie-china-hunderttausende-in-lagern-interniert-e356735/

3) https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/politik/china-cables-die-maschinerie-des-schreckens-e284182/?reduced=true

SZplus (gebührenpflichtig)

4) https://www.sueddeutsche.de/politik/china-cables-sozialwissenschaftler-zenz-uiguren-1.4690446?reduced=true

SZplus (gebührenpflichtig)

5) https://www.sueddeutsche.de/politik/china-cables-uiguren-xinjiang-1.4691507

6) https://www.sueddeutsche.de/politik/uiguren-china-cables-menschenrechte-1.4697023

7) https://www.sueddeutsche.de/politik/china-cables-wolkswagen-xinjiang-1.4696629

8) https://www.sueddeutsche.de/politik/china-cables-vw-verantwortung-xinjiang-uiguren-1.4696626