Montenegro und die chinesische Schuldenfalle

2014 hat Montenegro in China Schulden aufgenommen für "eine der teuersten Autobahnen der Welt". Nun bittet der Beitrittskandidat die EU-Kommission um Hilfe, doch die tut sich schwer.

Matthias Kolb, Tobias Zick

21.04.21 SZ, Seite 9

 

Es ist das ambitionierteste Infrastrukturprojekt in Montenegro, und es bringt dem schönen, bergigen Land an der Adria mit seinen 622 000 Einwohnern immer neuen Ärger. Erst im März hatte die Staatsanwaltschaft in Kolašin Ermittlungen gegen die China Road and Bridge Corporation aufgenommen: Das chinesische Staatsunternehmen habe mit seinen Bauarbeiten für eine Autobahn durch das Tal des Flusses Tara, das zum Unesco-Welterbe gehört, gegen Umweltauflagen verstoßen. Naturschützer hatten von Anfang an protestiert - vergeblich. Nun bittet Montenegro, das seit 2017 der Nato angehört und der Europäischen Union beitreten will, die EU ungewöhnlich offen um Hilfe - weil es unter den gewaltigen Schulden ächzt, die es für die Autobahn aufgenommen hat.

Die EU-Kommision reagierte umgehend: man werde nicht Schulden zurückzahlen, die bei anderen Ländern gemacht worden sind. Doch dagegen gibt es Widerstand. Reinhard Bütikofer, der Chef der China-Delegation des EU-Parlaments meint "Es nützt uns nichts, wenn wir um der Einhaltung bestimmter Regeln willen die geostrategische Perspektive aus den Augen verlieren." - Als der Vertrag mit Chinaa geschlossen worden war, verfügte die EU nicht über einen Mechanismus, um die Westbalkan-Länder bei Infrastrukturprojekten unterstützen zu können. Dieses Instrument wurde erst Ende 2020 gestartet und knüpft an klar definierte Bedingungen - anders als Peking.

Die Denkfabrik European Council on Foreign Relations nannte Montenegro ein "Lehrbuchbeispiel für Schuldenfallen-Diplomatie." Im Sommer 2021, wenn das von der Pandemie wirtschaftlich gebeutelte Land die ersten Raten zurückzahlen müsse, könnte China sich seine Position der Stärke zunutze machen und Montenegro etwa dazu nötigen, "die Kontrolle über strategisch wichtige Vermögenswerte abzugeben". So sei denkbar, dass Peking der Adria-Hafen in Bar übereignet werden müsse.

 

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