China schränkt Hongkongs Autonomie stark ein
Peking verabschiedet ein umstrittenes Sicherheitsgesetz. Es erlaubt den Behörden, scharf gegen Aktivisten vorzugehen.
Lea Deuber
01.07.20 SZ, Seite 1
China hat sein umstrittenes Sicherheitsgesetz für Hongkong verabschiedet, das den Behörden ein scharfes Vorgehen in der chinesischen Sonderverwaltungszone erlaubt gegen Aktivitäten, die China als subversiv, separatistisch oder terroristisch ansieht.
Nach Medienberichten gibt es Pläne für ein Sicherheitsbüro, das Geheindienstinformationen in Hongkong sammeln und das bei Straffällen mit der bisher nominell unabhängigen Hongkonger Justiz zusammenarbeiten soll. Das Gesetz werde 'in seltenen Situationen' auch eine Auslieferung nach Festlandchina ermöglichen. Als Höchststrafe ist die lebenslange Haft vorgesehen.
Kritiker sehen in dem Gesetz den Versuch, gezielter gegen prodemokratische Kräfte in der Stadt vorzugehen. Amnesty International bezeichnete das Gesetz als 'eine Waffe der Unterdürückung gegen Regierungskritiker'. Das Gesetz ist der bisher weitestgehende Eingriff in die Autonomie Hongkongs und ein möglicher Bruch der Gemeinsamen Erklärung zwischen Großbritannien und China, ein rechtlich bindender Vertrag.
Die Regierungschefin von Hongkong, Carrie Lam, erklärte, die natiionale Sicherheit Hongkongs falle eindeutig in die Zuständigkeit von Peking; das neue Sicherheitsgesetz werde die Autonomie nicht unterwandern; auch die Justiz bleibe unberührt. Und der Chef des chinesischen Volkskongresses sagte, der Grundsatz 'Ein Land, zwei Systeme' solle lediglich 'in die richtige Richtung gesteuert' werden.
https://www.sueddeutsche.de/politik/hongkong-china-schraenkt-autonomie-stark-ein-1.4952793
Stadt in Angst
Peking bricht mit dem umstrittenen Sicherheitsgesetz sein Abkommen mit Großbritannien über Hongkong. Das zeigt: Der Versuch, China in die Weltordnung einzubinden, ist gescheitert. Das muss Konsequenzen haben.
Lea Deuber
01.07.20 SZ, Seite 4 (Kommentar)
Heimlich und am Hongkonger Parlament vorbei hat die Chinesische Regierung in Peking das umstrttene Sicherheitsgesetz für die Sonderverwaltungszone verabschiedet.
China bricht mit dem Gesetz seine Gemeinsame Erklärung mit Großbritannien einseitig. Deswegen sollte Deutschland Konsequenzen ziehen und eine Klage vor dem internationalen Gerichtshof unterstüzten. Grundsätzlich gehört die deutsche China-Politik auf den Prüfstand.
Nach außen inszeniert sich die chinesische KP als Anhängerin von internationaler Zusammenarbeit und Multilateralismus. Doch das neue China ist nach innen und außen aggressiv wie nie: Masseninternierung von Muslimen in Westchina. Tibet. Die Gängelung anderer Länder, das aggressive Verhalten im Südchinsischen Meer, Drohungen Richtung Taiwan. Hinzu kommen die mangelnde Transparenz im Umgang mit dem Coronavirus und die einseitigen Restriktionen bei Investitionen und Beteiligungen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/hongkong-china-sicherheitsgesetz-1.4952269
Bis sie mich zum Schweigen bringen
Während Demokratie-Aktivisten wegen des umstrittenen Gesetzes um ihre Sicherheit fürchten, beschließen die USA Sanktionen gegen chinesische Funktionäre.
Daniel Brössler, Lea Deuber
01.07.20 SZ, Seite 6
Noch bevor klar war, was im neuen Sicherheitsgesetz in Hongkong stehen würde, löschten Tausende ihre Accounts in den sozialen Medien in Hongkong. Zahlreiche Aktivisten hatten im Vorfeld die Stadt bereits verlassen - 'Wir wissen, wie Menschen in China verfolgt werden'. Aus Angst vor Verfolgung erklärten auch der bekannte Aktivist Joshua Wong und weitere Parteimitglieder ihren Rückzug aus ihrer Partei Demosisto, die anschlieißend aufgelöst wurde.
Reporter ohne Grenzen warnen vor den Folgen für die Pressefreiheit. Hongkong ist bereits im weltweiten Ranking der Pressefreiheit sei 2002 vom Platz 18 auf Platz 80 abgerutscht.
Die USA sstoppten als Reaktion den Export von Rüstungsgütern nach Hongkong. Wegen der Unsicherheit würde Hongkong jetzt den selben Beschränkungen unterworfen wie China.
https://www.sueddeutsche.de/politik/hongkong-bis-sie-mich-zum-schweigen-bringen-1.4952492