In der digitalen Klemme

Die Video-Plattform Tiktok ist eine chinesische App, will aber keine sein. Nun hat sie sich in Hongkong selbst abgeschaltet - doch der globale Konflikt um die Zukunft des Internets beginnt erst.

Jannis Brühl, Christoph Giesen

08.07.20 SZ, Seite 7

 

Chinesen googlen nicht, sie suchen mit Baidu; sie tauschen sich nicht bei Facebook, sondern bei Wechat aus; statt bei Amazon kaufen sie bei Alibaba; und Informationen bekommen sie nicht bei Wikipedia, sondern bei dem politisch streng redigierte Dienst Baike. Es gibt also zwei Welten.

Tiktok, die erste global erfolgreiche chinesische App, auf über 75 Milliarden Euro geschätzt, ist bei Jugendlichen auf der ganzen Welt beliebt.

Tiktok zieht sich nun aus Hongkong zurück aus Angst vor dem neuen Sicherheitsgesetz von Hongkong, um nicht gezwungen werden zu können, Nutzerdaten herausgeben zu müssen.

Das klingt wie eine politische Unabhängigkeitserklärung; doch Vorsicht ist geboten. Denn die identische App für den chinesischen Raum heißt Douyin, ist auch in Hongkong verfügbar und unterwirft sich chinesischen Gesetzen.

In Indien wurden - wegen der Auseinandersetzungen an der Grenze im Himalaya - Tiktok und 58 weitere Apps aus China abgeschaltet. Und in den USA könnte eine Situation wie bei Huawei eintreten.

Der Streit zwischen China und dem Rest der Welt könnte das Internet zu einem Splinternet wandeln.

 

https://www.sueddeutsche.de/digital/hongkong-tiktok-1.4959615

 

 

Die Daten der anderen

Stefan Kornelius

08.07.20 SZ, Seite 4 (Kommentar)

 

Hongkong verliert seinen freien Geist in atemberaubender Geschwindigkeit. Schulen sperren Bücher weg, Bibliotheken  durchforsten ihr Sortiment, Auslandskorrespondenten fürchten um ihre Sicherheit - von ihren Hongkonger Kollegen ganz zu schweigen. Nun ziehen die großen Datenkonzerne, wie Microsoft, Facebook, Twitter und Zoom eine bemerkenswerte Konsequenz aus dem Pekinger Sicherheitsgesetz: sie verweigern den Behörden den Zugriff auf ihre Daten.

Dahinter mag eine ideelle Überzeugung stecken, aber möglicherweise auch ein Geschäftsinteresse: bisher übten sie selbst Kontrolle aus und wollen jetzt die Hoheit über ihr Geschäftsmodell bewahren.

 

https://www.sueddeutsche.de/politik/hongkong-die-daten-der-anderen-1.4959553