Mit harter Hand

In China gibt es seit Monaten nur noch wenige Corona-Neuinfektionen. Kann man von dem autokratischen Staat etwas für den Kampf gegen den Erreger lernen?

Lea Deuber, Kathrin Zinkant

18.11.20 SZ, Seite 13

 

Es ist nicht schwierig herauszufinden, was China in der Corona-Krise alles richtig gemacht hat. Die Journalisten in China haben von der Regierung ungebeten das 125-Seiten starke Weißbuch über die chinesische Corona-Politik bekommen. Doch auch unabhängig von Propaganda gibt es keinen Zweifel: China hat ca. 11 Monate nach Entdeckung des Virus in Wuhan die Infektionslage weitgehend im Griff. Kinder gehen in die Schule, Kinos sind  geöffnet, Restaurants und Clubs sind voll. Seit Monaten gibt es selten mehr als ein paar Dutzend Neuinfektionen am Tag.

Kann man also von China lernen? Vielleicht - aber zunächst muss man berücksichtigen, dass zwischen den demokratischen Gesellschaften und der Autokratie des chinesischen Staates Welten liegen. Die chinesische Kernstrategie war der rigorose Lockdown. Zunächst wurde das 11Millionen-Wuhan hermetisch abgeriegelt. Als Corona auch in anderen Landesteilen ausbrach, wurden ca. 780 Millionen Bewohner in einen strengen Lockdown gezwungen, egal wo sie sich gerade befanden.

Der Kampf gegen das Virus hat Toppriorität. Bei lokalen Ausbrüchen können die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden; deswegen versuchen manche von ihnen durch besondere Strenge ihre Linientreue zu beweisen. So rief z.B. Tianjin nach nur einem Fall den 'Kriegsmodus' aus. -  Verdachtsfälle und Infizierte werden in zentralen Quarantäne-Stationen isoliert. Ausländern wird nur im Ausnahmefall die Einreise gewährt; und dann benötigen sie zusätzlich einen negativen Test und müssen sich in China weiteren Tests unterziehen. Und die Testkapazität ist so hochgefahren worden, dass bei lokalen Ausbrüchen auch Millionenstädte innerhalb  von 2 Wochen durchgetestet werden können.

Einheitliche Coronaregeln gibt es in dem zentral regierten China kaum. Vielmehr hat sich ein kafkaeskes System widersprüchlicher Anweisungen in den verschiedenen Provinzen und Städten entwickelt. Für Reisende ist das ein großes Problem, da sie häufig nicht wissen, was sie am Ziel erwartet.

Trotzdem werden die Maßnahmen in der Regel von der Bevölkerung unterstützt und nicht in Frage gestellt. Corona-Opfer haben keinen Anspruch auf Entschädigung. Betroffene sagen häufig, sie hätten halt Pech gehabt - oder aber, sie hätten Glück, dass sie noch am Leben sind. Und die Regierung trägt zu der dankbaren Einstellung der Bevölkerung bei, indem die Lage im Ausland, insbesondere in den USA viel düsterer dargestellt wird. Und Kritik wird im Internet gelöscht und Kritiker sind verschwunden; darunter auch Journalisten.

 

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