Pekings Einfallstor nach Europa

Der geplante Bau einer chinesischen Universität für überwiegend chinesische Studenten in Budapest mobilisiert die Opposition gegen Ministerpräsident Viktor Orbán. Viele haben Angst vor einer Schuldenfalle und dem Einfluss der autoritären Macht aus Fernost.

Cathrin Kahlweit

10.06.21 SZ, Seite 6

 

Kürzlich wurde die geheime Abmachung bekannt, dass im Osten Budapests die Fudan-Universität entstehen soll, eine chinesische Hochschule für 6000 vor allem chinesische Studenten, die sich den Werten der Kommunistischen Partei Chinas verpflichten müssen. Der Ableger der Elite-Uni aus Shanghai werde "größtenteils mit chineischen Rohstoffen, chinesischen Arbeitskräften und chinesischen Krediten realisiert", wie das ungarische Investigativ-Medium Direkt36 berichtet. Der Kredit, den Ungarn in Peking aufnimmt, beträgt mindestens 1,5 Milliarden Euro; das ist mehr, als der ungarische Staat pro Jahr für alle ungarischen Universitäten ausgibt. Zurückgezahlt wird der Kredit mit ungarischem Steuergeld - die Ungarn schenken also den Chinesen eine Hochschule.

Die Uni-Pläne sorgen für erheblichen Ärger in der Bevölkerung; vielleicht ähnlich wie über die Bahnlinie von Budapest nach Belgrad, die ebenfalls von Chinesen mit einem Kredit über 2,1 Milliarden Euro gebaut werden soll. Zwei Drittel der Ungarn sind laut einer Umfrage gegen die Fudan-Universität. Die Rede ist von einem Ausverkauf ungarischer Interessen.

Europa oder China, Ost oder West, das ist der große, politische Richtungsstreit hinter den 1,5 Milliarden Euro für die chinesische Universität. Viele Ungarn sehen darin eines von vielen Beispielen für die strategische und wirtschaftliche Anbiederung an einen östlichen, nicht demokratischen Partner und zugleich eine weitere Abkehr von der EU.

Laut Fidesz-Regierung könne man mit dem Projekt "von den Besten lernen". Und Orban meint, was die Chinapolitik Europas allgemein angehe, so müsse man "dem vorbeugen, dass erneut eine Politik und Kultur des Kalten Krieges in der Weltpolitik" entstehe. Nötig seien Kooperation, Investitionen und kulturell-wissenschaftliche Beziehungen, nicht Boykotte, Sanktionen, Rügen und Belehrungen. Damit reagierte Orban auf die wachsende Empörung in Brüssel darüber, dass Ungarn zuletzt immer wieder gemeinsame EU-Beschlüsse zu Russland oder auch China boykottierte.

Auf den staubigen Straßen des zukünftigen Unigeländes im Osten von Budapest hat die Bezirksbürgermeisterin seltsame Straßenschilder aufstellen lassen, wie z.B. 'Dalai-Lama-Straße' oder 'Uigurische-Märtyrer-Straße' oder 'Freies-Hongkong-Straße' als Zeichen des administrativen Ungehorsams von Lokalpolitikern gegen eine politische Übermacht. Das chinesische Außenministerium geißelte dies als Provokation.

 

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