Freude über ein zerrissenes Land

Aus Sicht von Chinas Regierung hat Trump den Beweis geliefert, in welches Elend die Demokratie führen kann. Und Biden, so glaubt man, wird viel Kraft brauchen, das ramponierte Ansehen der USA zu reparieren.

Lea Deuber

09.11.20 SZ, Seite 8

 

Trumps Rückzug aus Bündnissen und Verträgen, sein Verhalten gegenüber Alliierten und das Totalversagen in der Corona-Pandemie, die in China zu weiten Teilen wieder unter Kontrolle ist - besser hätte es für China gar nicht laufen können. Trump hat es Peking wie kein anderer Präsident ermöglicht, seine globale Dominanz auszuweiten. Weitere vier Jahre des tumpschen Irrsinns hätten viele Chinesen als Geschenk angesehen.

Peking als rationaler Player, als kühler Kopf, als verlässlicher Partner, Unterstützer des freien Handels und des Multilateralismus - das traf zwar nicht die Realität; aber für Peking war es in den vergangenen vier Jahren relativ leicht, sich als das bessere Washington zu verkaufen.

Die Staatsmedien in China haben sich während des Wahlkampfes in den USA zurückgehalten, für einen der beiden Kandidaten Partei zu ergreifen. Sie konzentrierten sich vor allem auf die Dastellung der USA als ein zerrissenes Land, geplagt vom Coronavirus und Protesten gegen Polizeigewalt, Ungleichheit und Rassismus. Sie berichteten eher von den USA als einer kaputten Gesellschaft, die auch durch ein bisschen Wahl nicht mehr gerettet werden könnte.

Das Image der Demokratie hat Trump wohl in kaum einem Land so folgenschwer beschädigt wie in China. man vergleicht die 'angebliche Demokratie' der USA mit der 'Volks-Demokratie' in China, die zwar keine Wahlen, dafür aber glückliche Menschen vervorbringen würde, geführt von vernünftigen Politikern, die das Coronavirus besiegt hätten und das Land zuverlässig in Richtung Weltspitze manövrierten.

 

https://www.sueddeutsche.de/politik/wahl-china-usa-biden-trump-1.5109025